- Energieversorgung: Alte Systeme im neuen Gewand
- Energieversorgung: Alte Systeme im neuen GewandNoch immer bestimmen die fossilen Energieträger die Energiesysteme der Welt. Das wird auch noch eine Weile so bleiben. Sie lassen sich aber meist viel effizienter nutzen, als das mit der bisherigen Technik der Fall war. Viele Kraftwerke arbeiten heute sauberer und bei höheren Wirkungsgraden als noch vor zwei oder drei Jahrzehnten. Alte Konzepte wie die Kraft-Wärme-Kopplung erfreuen sich neuer Beliebtheit. Sogar das jahrtausendealte Prinzip der Solararchitektur schillert im neuen Gewand.Kraft und Wärme miteinander gekoppeltMit einem Anteil von rund 80 Prozent der weltweiten Energiereserven bleibt Kohle sicher noch eine Weile der wichtigste Primärenergieträger. Sie deckt fast 40 Prozent des Strombedarfs der Welt, in Deutschland ist es etwa die Hälfte. Dabei bedienen Braunkohlekraftwerke vor allem den Grundlastbereich, weil dieser Brennstoff billig im Tagebau gewonnen und gleich am Abbauort verstromt werden kann. Daneben liefern die Steinkohlekraftwerke auch Strom im Mittellastbereich. Heutige Kraftwerke erreichen Wirkungsgrade von gut 45 Prozent. Doch auch in diesen modernen Anlagen steckt sozusagen noch eine Menge Luft. Mit neuartigen Werkstoffen zum Beispiel lassen sich Dampfzustände bei höheren Temperaturen als bisher erreichen, was den Wirkungsgrad der Anlagen deutlich ansteigen lässt. So peilen die Konstrukteure mit neuer Technik bei Dampfkraftwerken derzeit Wirkungsgrade von nahezu 50 Prozent an. Noch besser lässt sich die in der Kohle steckende Energie nutzen, wenn man aus ihr nicht nur Strom erzeugt, sondern zugleich die anfallende Abwärme zum Heizen einsetzt.Dieses intelligente Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung ist zwar nicht neu, genießt aber seit einiger Zeit neues Ansehen. Allerdings hat es einen gewaltigen Haken: Es ist nur dann sinnvoll, wenn man auch genügend Abnehmer für die Wärme hat. Dieses Problem ist in der Praxis weniger trivial, als es auf den ersten Blick scheint. Denn im Winter ist diese Bedingung zwar meist erfüllt, doch während des Sommers ergibt sich eine völlig andere Situation. Wer will in der warmen Jahreszeit bei 25 Grad im Schatten schon heizen? Aber vielleicht könnte man die Abwärme auch anders nutzen und zum Kühlen einsetzen? Diese verblüffende Idee funktioniert sogar, weil man durch entsprechende technische Einrichtungen Abwärme tatsächlich für Kühlzwecke nutzen kann. Sehr günstig für einen im Jahresverlauf gleichmäßigen Betrieb einer Kraft-Wärme-Kopplung ist es, wenn industrielle Nutzer mit einem hohen Bedarf an Prozesswärme in der Nähe sind. Sie können gleichsam der Garant zum ökonomischen Betrieb eines Fernwärmenetzes sein.Im kleineren Maßstab verwirklichen immer mehr Blockheizkraftwerke das Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung. Die Abwärme der Verbrennungsmotoren oder Gasturbinen dieser Anlagen speist einen Heizkreislauf, der zum Beispiel ein Gebäude, eine Häusergruppe oder auch einen ganzen Stadtteil versorgt. Deshalb spricht man in diesem Fall auch von »Nahwärme«. Blockheizkraftwerke haben während der vergangenen Jahre auch unter dem Aspekt des Klimaschutzes neue Aufmerksamkeit erfahren. Denn sie nutzen den eingesetzten Brennstoff nicht nur sehr effizient, sondern lassen sich auch direkt mit erneuerbaren Energieträgern betreiben. So laufen beispielsweise manche Blockheizkraftwerke mit Biogas, das während der Abbauprozesse auf Mülldeponien entsteht. Andere werden mit Pflanzenöl betrieben.Biomasse nimmt AnlaufViele Energieexperten gehen davon aus, dass neben anderen regenerativen Quellen auch Biomasse in Zukunft vermehrt zum Einsatz kommen wird. Steht womöglich eine Renaissance dieses alten Energieträgers bevor, auf den die Menschheit schon einmal jahrtausendelang gesetzt hat? Sicher nicht mehr in dieser exklusiven Weise, aber immerhin laufen schon heute einige größere Biomassekraftwerke. Allerdings müssen solche Anlagen sehr genau kalkuliert werden, da sie wirtschaftlich uninteressant sind, sobald man das Holz oder Stroh über weite Strecken zum Brenner transportieren muss. Zudem gerät man möglicherweise schnell in andere ökologische Konflikte, wenn der Brennstoff eigens auf großen Ackerflächen plantagenartig angebaut werden muss und deshalb eine intensive Düngung und chemischer Pflanzenschutz notwendig werden.Auch die mögliche Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion, ebenfalls ein brennendes Zukunftsproblem der Menschheit, sollte man bedenken. Um welche Dimensionen es dabei gehen könnte, zeigt die Idee, Kraftfahrzeuge statt mit Benzin durch Bioalkohol anzutreiben. Technisch ist das möglich, wie Brasilien mit großem Aufwand vorgemacht hat, doch der Flächenbedarf ist enorm. Auch der Vorschlag, Dieselkraftstoff durch Rapsöl beziehungsweise Rapsölmethylester zu ersetzen, taucht immer wieder auf. Ob sich dies in großem Maßstab verwirklichen lässt, ist aber fraglich. So gibt es Schätzungen, nach denen die deutsche Landwirtschaft damit zwar ihren eigenen Energiebedarf decken könnte. Doch um zusätzlichen »Dieselersatz« für Autos zu liefern, müssten Ackerflächen aus der Nahrungsmittelproduktion genommen werden. Dies erscheint innerhalb der Europäischen Union zum Abbau von Überschüssen in gewissem Rahmen möglich, weltweit stellt es angesichts von Hungerkatastrophen sicherlich keine allzu verlockende Alternative dar.Ein anderer Vorschlag zur zukünftigen Gewinnung von Biomasse für Treibstoffe und Kraftwerke geht dahin, alle durch Übernutzung zerstörten Ackerflächen, die sich nicht mehr zur Nahrungsmittelproduktion nutzen lassen, zu rekultivieren und darauf Bäume oder andere Energiepflanzen wie Schilfgras anzubauen.Hausbackene Sonne mit HightechHin und wieder zeigt sich das verblüffende Phänomen, dass uralte Energieträger und Prinzipien in veränderter Form plötzlich wieder bestimmte Bedürfnisse zu befriedigen vermögen. Das gilt auch für die heute als Solararchitektur bezeichnete Bauweise. Viele ihrer Prinzipien waren schon in der griechischen Antike verbreitet. Manche wurden auch bei uns in der traditionellen dörflichen Bauweise angewandt, gingen dann im Verlauf der Industrialisierung aber vorübergehend verloren. Heute tauchen sie wieder auf, aber in neuem Gewand und mit anderem Anspruch. Wie fast immer in der aktuellen Energiedebatte, so steht auch hier der Klimaschutz im Vordergrund, und die »neue« Solararchitektur setzt dabei zunehmend auf Hightech. Neben einigen klassischen Komponenten zur Besonnung beziehungsweise Beschattung kommen nämlich inzwischen völlig neue Systeme zum Einsatz, wie zum Beispiel die transparente Wärmedämmung. Diese dämmt nicht nur die Außenwand gegen Wärmeverluste, sie holt sogar Solarstrahlung ins Haus und fungiert so als (Zusatz-)Heizung.Konsequente Solararchitektur lässt sich geradezu ideal mit den verschiedenen Techniken der Nutzung von Sonnenenergie kombinieren. Wo beispielsweise der Heizbedarf dank guter Isolierung und intelligenter Bauweise ohnehin schon auf ein Minimum reduziert ist, wird der Einsatz einer thermischen Solaranlage möglich, die warmes Brauchwasser liefert und zugleich zum Heizen dient. An vielen Stellen ist Bewegung in die Energieszene gekommen. Mittlerweile fördern selbst traditionelle Energieversorgungsunternehmen den Einbau entsprechender Anlagen. So nehmen sie bei netzgekoppelten Photovoltaikanlagen Solarstrom ab und benutzen dies sogar als Marketinginstrument. Das geschieht nicht immer nur aufgrund höherer Einsicht, sondern ist auch durch die gravierenden Veränderungen auf dem Energiemarkt bedingt. Im Zuge der Liberalisierung könnten künftig auch bei uns private Energieerzeuger und Kraftwerksbetreiber ein wachsendes Gewicht bekommen, wie es in anderen Ländern teils schon der Fall ist. Als Möglichkeit steht in Zukunft sogar eine Struktur, bei der eine weitere Spezialisierung in Stromerzeuger und Stromhändler eintreten wird.Diese Entwicklung hat auch damit zu tun, dass der Bau und der Unterhalt großer Kraftwerke sehr kapitalintensiv sind. Gerade deshalb hat man in den USA das »Demand Side Management« erfunden, die Nachfragesteuerung. Deren Devise lautet: »Negawatt statt Megawatt«. Jedes eingesparte Megawatt erlaubt es einem Energieversorger, seinen Kraftwerkspark kleiner zu halten und Investitionen für neue Anlagen einzusparen oder zumindest zu verschieben. Also schafft er für private wie industrielle Verbraucher Anreize, sparsamer mit dem Strom umzugehen. Das unternehmerische Ziel ist es nicht mehr, möglichst viel Strom zu verkaufen, sondern den Kunden einen möglichst großen Nutzen zu bringen.Dipl.-Phys. Bernd EusemannWeiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:Energieversorgung: Koexistenz verschiedener EnergietechnikenGrundlegende Informationen finden Sie unter:Energiewirtschaft: Konzepte und EnergiequellenBiomasse — nachwachsende Energie. Potentiale, Technik, Kosten, bearbeitet von Holger Flaig u. a. Renningen 1998.Heinloth, Klaus: Energie und Umwelt. Klimaverträgliche Nutzung von Energie. Stuttgart 21996.Heinloth, Klaus: Die Energiefrage. Bedarf und Potentiale, Nutzung, Risiken und Kosten. Braunschweig u. a. 1997.Potentiale regenerativer Energieträger in der Bundesrepublik Deutschland, bearbeitet von R. Hofer u. a. Düsseldorf 1991.Wagner, Hermann-Josef/Borsch, Peter: Energie und Umweltbelastung. Berlin u. a. 21998.
Universal-Lexikon. 2012.